Kategorie: Kuratieren / Projekt
2014 wurde ich nach Schwedt eingeladen, um mich mit den „alten Bildern“ aus dem Bestand des ehemaligen VEB Petrolchemischen Kombinates Schwedt (heute PCK Raffinerie GmbH Schwedt) auseinanderzusetzen. Der Betrieb hat zu DDR-Zeit gezielt mehrere hunderte Kunstwerke gesammelt bzw. in Auftrag gegeben und die Werke regelmäßig ausgestellt. Seit 1989 ist aber diese Kunstsammlung für ein breites Publikum unzugänglich.
Ich fragte mich, wer diese „alte Bilder“ sehen soll und darf. Mit dem Projekt Sag mir wo die Blumen sind schaffte ich einen Zugang zu dieser Kunstsammlung für die Zuschauer, die diese Kunst sonst nicht sehen würden oder sogar können. Mit Jugendlichen vor Ort habe ich ein Video und eine Führung durch ausgewählte Kunstwerke der PCK-Kunstsammlung speziell für Blinde und Sehschwache habe konzipiert und ausgeführt.
„Stell Dir vor, Du stehst vor diesem Kunstwerk und kannst es nicht sehen. Was möchtest Du darüber erfahren?“ Ausgehend von den Bildtiteln wurden zu jedem Werk Fragen gestellt. Diese beantwortete ich mit meinem jungen Team in Schwedt. Enrico Frontzek, Mirjam Bunn und Angie Winkel arbeiteten mit mir zusammen, um die ausgewählten Kunstwerke anschaulich und lebhaft zu beschreiben. Die Fragen und Beschreibungen wurden von Viola Brocker aus Schwedt für das Video gesprochen.
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- ANSCHAUEN Die Werksammlung der PCK Raffinerie GmbH Schwedt im Bildatlas: Kunst in der DDR
Aus den insgesamt 23 für die Führung ausgewählten Werken habe ich dann elf in einer Videoarbeit präsentiert, die zusammen mit Arbeitsskizzen und einer Bildbeschreibung in Blindenschrift in einer Installation im Kunstverein Schwedt ausgestellt wurde. Dort fing auch die Führung für Mitglieder des Schwedter Blinden- und Sehschwachenverbandes an, danach wurde sie auf dem PCK-Gelände fortgesetzt. Die Besucher hatten vor Ort die Möglichkeit, die Kunst über Tasten und die von den jungen Künstler_innen gesprochenen Beschreibungen kennenzulernen.
Im Jahr 2011 wurde ich eingeladen, eine Ausstellung für die Richard-Wagner-Stätten Graupa zu verwirklichen, die ein breites Publikum erreichen und Aufmerksamkeit auf den neuen Ausstellungsort – den Jagdschloss Graupa – lenken sollte. Ich habe mich entschieden, mich auf eine einzige Oper von Richard Wagner zu konzentrieren – nämlich die Oper „Lohengrin“, an der Wagner im Sommer 1846 in Graupa gearbeitet hat – und mit Schülerinnen aus der Gegend eine Videoarbeit zu dieser Oper für die Ausstellung zu schaffen.
Mit Szenen aus unserem Arbeitsprozess zeigt das Video Mein lieber Schwan! Ein Wechselspiel mit Richard Wagners „Lohengrin“ – auf unterhaltsame und lyrische Art und Weise – einen Annäherungsversuch. So wie die Mädchen spielerisch ihren Zugang zu Wagners Oper finden, werden die Zuschauer eingeladen, dies ebenfalls zu tun.
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- ANHÖREN MDR Figaro Radiobeitrag von Birgit Fritz
- ANSCHAUEN Video Mein lieber Schwan! Ein Wechselspiel mit Richard Wagners ‚Lohengrin‘ online
Bei den Proben und der Dreharbeit im Lohengrinhaus / Richard-Wagner-Stätten Graupa haben wir gemeinsam verschiedene spielerische Antworten auf die Oper entwickelt. Diese bewegten sich immer zwischen der Rezeption der Musik einerseits und der eigenen Fantasie andererseits, die durch Wagners Musik und die Geschichte vom Ritter Lohengrin geweckt wurde. Diese Aufnahmen habe ich dann für das Video verwendet, um die Geschichte dieses kreativen Prozesses zu erzählen.
Wir konzentrierten uns auf das Erscheinen des Ritters gegen Ende des ersten Aktes von Wagners Oper: Lohengrin kommt nach Brabant, um die angeklagte Jungfrau Elsa in einem Gottesgericht zu verteidigen. Die Szene ist nicht nur musikalisch und dramaturgisch sehr spannend, sondern hat schon immer eine große Faszination ausgeübt. Sie stellt auch immer eine Herausforderung für jede neue Bühnenproduktion dar, denn Lohengrin tritt nicht einfach auf die Bühne, sondern er wird, auf einem Kahn stehend, von einem Schwan herangezogen! Die Szene ist märchenhaft, rätselhaft, seltsam und wunderschön zugleich.
Das Video wurde in einem Ausstellungsmobiliar präsentiert (Bilder rechts), das gleichzeitig assoziativ Bezug auf inhaltliche Elemente der Oper nimmt und in Zusammenarbeit mit dem Architekten Roland Züger entstanden ist (www.kesselzueger.com).
MEHR über die beteiligte Institutionen:
Im Jahr 2010 wurde ich für die Konzeption, Gestaltung und Ausführung einer großen Ausstellung zu Robert Schumanns 200. Geburtstag in die Zwickauer Kunstsammlungen eingeladen. Meine Aufgabe war es, die Rezeption Robert Schumanns und seiner Musik in der bildenden Kunst vom 19. bis zum 21. Jahrhunderts zu präsentieren. Die Museumsleiterin Petra Lewey wollte mit dieser Ausstellung „einmal den Versuch wagen, sich dem Komponisten nicht nur theoretisch, also kultur- und rezeptionsgeschichtlich zu nähern, sondern mit Strategien der zeitgenössischen bildenden Kunst, um Robert Schumann und seine Musik auf ungewohnt visuell emotionaler Ebene erlebbar zu machen.“
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- LESEN Petra Lewey, „Seit ich ihn gesehen“. Robert Schumann in einer Kunstausstellung
- ANHÖREN MDR Figaro, 5 Aug 2010: Kunstredakteur Andreas Höll über die Ausstellung „Seit ich ihn gesehen – Reflexionen zu Robert Schumann in der Kunst“
- ANSCHAUEN TeleVision Zwickau, 10 Jun 2010: „Janet Grau in den Kunstsammlungen Zwickau: Robert Schumann in der Kunst“
- ANSCHAUEN TeleVision Zwickau, 10 Aug 2010: „TAGaktuell: Seit ich ihn gesehen – Robert Schumann in der Kunst“
Für Seit ich ihn gesehen – Reflexionen zu Robert Schumann in der Kunst (dokumentiert im gleichnamigen Ausstellungskatalog) habe ich ca. 250 sehr heterogene Objekte und Kunstwerke aus verschiedenen Sammlungen und Schumann-Interpretationen aus Kunst, Literatur, Film, Kunstgewerbe und Alltag in sieben Themenräumen arrangiert und mit meinen eigenen künstlerischen Gedanken und Positionen in Berührung gebracht, manchmal konfrontiert. Mir war es wichtig, die kunsthistorische Rezeptionsebene mit der ganz konkreten Präsenz Schumanns in der Gegenwart zu verbinden.
Um eine Reihe neuer Kunstwerke für die Ausstellung zu erarbeiten, habe ich mit verschiedenen Menschen (Musikwissenschaftlern, Sammlern, jungen Musikern, Musikliebhabern, Schülern und Studierenden) gearbeitet. Entstanden sind Foto- und Videoarbeiten (u.a. acht Musikvideos zu Liebesliedern von Schumann, in Zusammenarbeit mit Jugendlichen geschaffen), Rauminstallationen, ein Plakatwettbewerb („Robert!“, eine fiktive Image-Kampagne für Robert Schumann) sowie interaktive digitale Arbeiten (u.a. eine Zusammenstellung von YouTube-Videos, über ein Flash-Interface steuerbar). Einige dieser Arbeiten wurden nach der Ausstellung vom Robert-Schumann-Haus in Zwickau angekauft und dauerhaft installiert.
Ein lebendiges Begleitprogramm bot mehrere Möglichkeiten, aktiv mitzuwirken: Z.B. bei dem „Tango Schumann“-Workshop mit dem Londoner Performance-Künstler Anthony Howell und der südafrikanischen Tänzerin Lindi Köpke (Siehe Tango Schumann).
MEHR über die beteiligte Institutionen:
„Die Sammlung ist öffentlich, also gehört sie uns. Mal schauen, was wir haben!“
Ausgehend von dieser Idee habe ich verschiedene Bürger/innen der Stadt Dresden eingeladen, mit mir über Kunst zu sprechen – was sie mögen, was sie gern sehen würden – und mit meiner Hilfe ein Experiment zu wagen. Ich bat sie, Kunstwerke aus der Sammlung des Kunstfonds auszusuchen und als (Kunst-)Laien eine Ausstellung zu kuratieren. Zusammen mit fünf unterschiedlichen Gruppen von Menschen, die sonst nicht (beruflich) mit Kunst zu tun haben, entwickelte ich eine jeweils eigene Ausstellungsidee, die einen Teil der Gesamtpräsentation in der Motorenhalle bestimmt hat.
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- ANHÖREN MDR Figaro Radiobeitrag von Grit Krause
Insgesamt suchten die Projektteilnehmer fast 90 Grafiken, Gemälde, Fotografien, Plastiken, Videos, Objekte und Installationen aus der Zeit von 1949 bis 2010 aus dem Bestand des Kunstfonds aus. Silke Wagler, Leiterin des Kunstfonds, schrieb dazu: „Von Bedeutung ist, dass darunter nicht wenige Arbeiten zu finden sind, die lange nicht zu sehen waren und die ohne dieses besondere Projekt vermutlich auch für die nächste Zeit keine großen Chancen gehabt hätten, ausgestellt zu werden.“
Bei ihrer Auswahl suchten die einzelnen Gruppen Kunstwerke, die ihren ganz unterschiedlichen Erwartungen an Kunst entsprachen. Meine Rolle als Künstlerin und Projektinitiatorin war es, sie dabei zu unterstützen und zu beraten sowie eine Vorauswahl für jede Gruppe im Depot des Kunstfonds auszusuchen. Die Projektteilnehmer haben sich jeweils einen Titel für ihre Auswahl von Kunstwerken ausgedacht, sowie eigene kleine Texte für die Ausstellung verfasst:
- BLUE PEARLS CHEERLEADER der Dresden Monarchs: „Incomplete! Unvollständsch!“
- CLUB DER MÜNDIGEN BÜRGER der Bürgerbühne am Staatsschauspiel Dresden: „Man fühlt sich so, man weiß nicht wie…“
- FAMILIE G. (drei Generationen einer Dresdner Familie): „Vordergründige Hintergründe, oder: Zu Besuch beim fröhlichen Schwein“
- MALWINA E.V. Team der Beratungs- und Vermittlungsstelle für Kindertagespflege: „Wundertüte“
- WERBEGEMEINSCHAFT Dresden-Neustadt: „NEU – ALT – BUNT: Dresden-Neustadt“
Tatsächlich war nicht jede Gruppe mit den vorhandenen Kunstwerken der Sammlung zufrieden. Der Gruppe mit den jüngsten Teilnehmerinnen (Blue Pearls Cheerleader) fiel es schwer, die gewünschten lebensfrohen, dynamischen, optimistischen Gruppenbilder zu finden.
Das nahm ich als Anlass, um eine eigene neue Arbeit zu schaffen. Ich habe die von den Blue Pearls aufgestellten Kriterien spielerisch als „Auftrag“ wahrgenommen, den ich versucht habe, zusammen mit den Cheerleadern umzusetzen. Ich konzipierte und organisierte einen Auftritt der Cheerleader im Pflege- und Seniorenheim Clara Zetkin (DRK Dresden), wofür die jungen Frauen eine eigene Choreografie kreierten. Diese Performance habe ich, zusammen mit dem Fotografen Thilo Fröbel, fotodokumentiert. Aus diesen Fotos habe ich dann das neue Kunstwerk, *gold* geschaffen (Abbildung rechts unten). Die Fotomontage (in einem Leuchtkasten) wurde dann Teil der Ausstellung Mal schauen! Laien wählen Kunstwerke aus dem Depot.
MEHR über die beteiligte Institutionen:
- Kunstfonds, Staatliche Kunstsammlungen Dresden (SKD)
- SKD Online Collection
- Motorenhalle. Projektzentrum für zeitgenössische Kunst
LESEN Texte zu dieser Arbeit: